04.09. 14:55
Hallo Johann,
wie ist der Vortrag gelaufen? Als routinierter Prof. geht Dir das doch sicher trotz verkürzter Vorbereitung leicht von der Hand... ;-)
Warum musstest Du schmunzeln? Weil ich schon wieder was von Unentschlossenheit erzählt habe oder wegen meiner Ausführung zu Schuld und Fehlverhalten? Ich kann mir gut vorstellen, dass Dir das gefallen hat, was ich da geschrieben habe. Klingt ja fast nach Rehabilitation... Ganz so einfach ist es natürlich dann doch nicht für mich, denn ich werde wahrscheinlich trotzdem nie begreifen können, was es da überhaupt zu zaudern gab. Und nett ist es ja eigentlich auch nicht, ein junges Ding so hinzuhalten und zu konsumieren, wo man doch selbst schon Anfang dreißig und erfahren ist und für sich anscheinend schon merkt, dass das keine Zukunft hat... Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es Dir entgangen ist, wie es um mich bestellt war.
Mich wundert es ehrlich gesagt gar nicht so sehr, dass Du unsere gemeinsame Zeit in guter Erinnerung hast und das bei mir nicht so ist. Die Gründe, warum ich auch so viele negative Gefühle damit verbinde, habe ich Dir ja schon zu genüge aufgeführt in den letzten Mails (sich wie 2.Wahl oder Zeitvertreib fühlen) Ich habe die Zeit, wenn wir zusammen waren natürlich auch sehr genossen - wie bereits gesagt, so extrem habe ich das nie wieder erlebt. Daher vermischen sich immer Schmetterlinge im Bauch mit Wut, wenn ich an unsere Zeit denke. Du dagegen konntest zu der Zeit sogar komfortabel zwischen zwei Frauen wählen (und die dritte hat ja auch nicht lange auf sich warten lassen...) Und ich hatte immer das Gefühl, dass Du eben hauptsächlich unsere körperliche Nähe genießt, Du hast mir zwar auch einiges über Dich erzählt - aber hast Du viel über mich als Person wissen wollen? Ich weiss es nicht mehr genau.
Ich erinnere mich, dass ich Dich mal in K. besucht habe und Du dabei ein endloses Krisentelefonat mit Constanze führtest. Und es klang eher immer beschwichtigend und auf Aussöhnung ausgerichtet von Deiner Seite. Das wirkte ganz selbstverständlich und selbst ich hatte das Gefühl, dass das so sein muss, weil Constanze ja schließlich Deine Freundin war und ich nur die Nebengespielin, ich also keine Ansprüche darauf habe, dass Du Dich auch mit mir beschäftigst, wenn ich Dich besuche. Irgendwann hätte ich Dir damals dann doch am liebsten den Hörer weggenommen und Constanze gesagt, dass das Gespräch jetzt beendet ist, weil Du Dich jetzt leider mit mir weiter streiten müsstest. Hätte ich das mal gemacht...!
Wie Du gemerkt haben wirst - von einer Rehabilitation sind wir noch etwas entfernt ;-)
Mein Gedächtnis scheint zwar noch ganz gut zu funktionieren, aber ein paar Details hätte ich auch nicht mehr zusammen bekommen – Heinz-Otto zum Beispiel hatte ich nicht mehr auf dem Schirm. War das ein grünes Auto? Welche Marke war das nochmal, Opel? Es dämmert mir langsam wieder … Aber Du hattest auch noch eine Ente, die Du Tusnelda genannt hast, oder? Mit der bist Du doch mal auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch liegen geblieben. Und dass Du ein großer Rolling Stones Fan bist, hatte ich auch erfolgreich verdrängt bis in der Mail der Rolling-Stones-Link war... Da konnte ich als großer Beatles-Fan wahrscheinlich nicht anders, als Dir direkt einen Beatles-Link zurück zu mailen.
Ich glaube, dass wir Maria von Blondie eher auf einer dieser Donnerstags-Parties gehört haben. Und diese Jule – das war doch Deine Mitbewohnerin, oder? Die hatte ich auch gefressen, weil sie sich an Dich rangeschmissen hat. Der Blumenstrauss, den Du bereits erwähnt hast, war glaube ich auch eine Entschuldigung, weil Du Dich betrunken auf einer Party von ihr hast anflirten lassen, während wir gerade wieder mal am diskutieren waren, ob das mit uns Sinn macht oder nicht. Einen Entschuldigungsbrief von Dir dazu gibt es auch noch...
Wen könntest Du eigentlich mit "die andere" oder meine "komische kleine schwarzhaarige Kommilitonin" - Francesca? Oder vielleicht Mia?
Was ein Treffen angeht: Du sprichst mir ehrlich gesagt aus der Seele! Ein mögliches Szenario, das ich mir vorstellen kann, ist genau so, wie Du es beschreibst und davor habe ich tatsächlich Angst, selbst wenn es auch was Reizvolles hat. Das nächste Szenario ist, dass ich furchtbar wütend werde. Aber vielleicht stehen wir auch einfach nur voreinander und fragen uns, was den Zauber damals wohl eigentlich ausgemacht hat. Darauf hoffe ich ja ein bisschen ...
Das Treffen werden wir aber bei den vielen Bedingungen, die Du aufgezählt hast, eh nicht hinkriegen ;-) Die einzige Fortbildung, die ich bisher dieses Jahr noch machen möchte, ist im Dezember in H. - liegt leider für Dich nicht so auf dem Weg ...
Ich arbeite übrigens nicht in fensterlosen Löchern, was hast Du denn für Vorstellungen von OPs?! Bei uns im Krankenhaus haben wir schöne große Fensterfronten ... Elternzeit ist leider schon seit fast zwei Jahren vorbei, jetzt arbeite ich 50%. Und was mache ich an meinem freien Freitag? Ellenlange Emails an Dich schreiben anstatt endlich mal etwas auszuschlafen, denn im Moment schlafe ich neben Diensten und nächtlichen Kleinkind-Allüren nachts irgendwie schlechter als sonst. What am I doing here?!
Wie alt ist denn Deine Frau, wenn ich mal fragen darf? "Das wird wohl nichts mehr" (mit einem dritten Kind) klingt so, als gäbe es da vom Alter her zumindest noch eine kleine Chance ... Sag bitte nicht, dass sie 8 Jahre jünger ist als Du!
Ich hätte gerne noch mindestens ein Kind, aber meine Ovarien sind ja auch schon 38, von daher bleibt abzuwarten, ob es wenigstens zum zweiten Kind reicht. Das ist der Nachteil, wenn einem erst spät auffällt, dass man Kinder und Familienleben ja doch super findet.
Ich hätte, so wie ich Dich in Erinnerung habe, gar nicht gedacht, dass Du zum richtigen Glücklichsein nicht geboren sein solltest. Deinen Mediziner-Verwandten hast Du es doch gezeigt - Du bist Prof. geworden; außerdem hast Du eine Familie, so wie Du es wolltest. Warum also Selbstzweifel, was wolltest Du sonst noch alles erreichen?
Viele Grüße
Lena
Anbei noch ein Foto aus meiner Realität.