15.10. 10:34
Ja, verstehe, kenn ich (und hunderte Mails bleiben deswegen auch unbeantwortet ...). Und Dir scheint es ja manchmal wie mir zu gehen: wenn ich Dir nicht sofort schreibe, muß ich immerzu daran denken, was ich Dir schreibe. Oft möchte ich Dir auf eine Nachricht sofort antworten, aber schaffe es aus diversen Gründen nicht. Aber dann denke ich ständig darüber nach, was ich schreiben will und drehe die Sätze hin und her und komme nicht zur Ruhe. Da wäre es doch eigentlich besser, gleich zu schreiben (auch wenn Du anscheinend öfters denkst, ich sollte mich besser mit anderen Dingen beschäftigen). Von daher würde ich es gern weiter so halten, daß ich schreibe, wenn ich gerade Lust dazu habe, soweit es die Zeit ermöglicht, auch wenn Dir das im Zweifelsfall eine gewisse Disziplin im "Mail-Management" abverlangt ...
Und im übrigen wage ich hier mal die Prophezeigung: wir werden uns nicht ewig in dieser Form schreiben. Unsere Beziehung zueinander ist nichts Statisches, sondern verändert sich permanent, vor allem durch das Schreiben selbst. Diese Dynamik ist schwer zu steuern und ich habe lediglich unbestimmte Ahnungen, in welche Richtung sich alles irgendwann auflösen wird. Von daher dürfte es sich um eine endliche Phase unseres Lebens handeln.
15.10. 23:41
Liebes Orakel,
Deine Weissagung hat mich etwas ratlos zurückgelassen… aber das ist ja normal bei Orakeln. Frage mich, ob ich gerne wissen würde, in welche Richtung Deine unbestimmten Ahnungen so gehen oder lieber nicht. Mir fällt dazu nur das Mantra aller Eltern ein: „Es ist alles nur eine Phase…!“ Von daher denke ich auch, dass alles ständig im Fluss ist, Probleme sich plötzlich einfach aufgelöst haben, neue aber schnell wieder auftauchen. Leider bin ich nicht dazu gemacht, einfach abzuwarten, was so passiert, sondern muss ständig über alle möglichen Wege und Lösungen nachdenken, was ganz schön anstrengend sein kann. Meistens löst sich dann aber doch tatsächlich alles plötzlich von selbst auf und ich frage mich, warum ich mir so viele Gedanken gemacht habe. Aber das Grübeln werde ich wohl nie sein lassen können. Wie ist das bei Dir? Ich würde Dich so einschätzen, dass Du gelassener an die Dinge rangehst und vielleicht einfach denkst, "erst mal abwarten, es wird schon irgendwie werden“. Aber das beruht natürlich auch wieder nur auf meinen Eindrücken und festgefahrenen Meinungen von früher bzw auf manchen geschriebenen Worten, die ich so interpretieren kann („Und wenn man lange genug wartet, dann nimmt einem der andere die Entscheidung ab“)… Oder diese Wahrnehmung beruht einfach auf dem klassischen "Frau redet ständig über Vieles" und "Mann redet wenig und macht einfach“.
Das Wort Beziehung an dieser Stelle irritiert mich weiterhin, das ist bei mir anscheinend anders besetzt als bei Dir.
Statisch kann unser Email-Kontakt wahrscheinlich gar nicht sein, da in mir ja weiterhin kleine Vulkane schlummern, die sich manchmal entladen. Eigentlich wäre es auch mal wieder an der Zeit, dass ich böse bin und dazwischen grätsche, oder…? ;-) Keine Angst, habe ich aber eigentlich gerade nicht vor. Es sei denn, Du nimmst mir die obige Anmerkung krumm. Ich hoffe aber, dass dem nicht so ist.
Ich kann mir Dich ehrlich gesagt nicht wirklich als Landmann mit Sense oder Motorsäge in der Hand vorstellen. Da huscht ein Schmunzeln über meine Lippen... Was Du so über Hessen, Heimat und Familie schreibst, macht mich direkt etwas melancholisch und ich muss auch an meine Heimat in Hessen und meine Familie denken. In der Kindheit war zwar auch nicht alles rosig (vor allem nicht mehr in der Pubertät), aber es sind trotzdem einfach heimelige Gefühle, die direkt aufkommen, wenn man „zu Hause“ ankommt. Aber wenn ich wieder fahre, dann weiss ich auch immer wieder, warum ich es in S. nicht ein Leben lang aushalten würde und dass es genug Streitthemen mit meiner Mutter gibt…
Am Edersee war ich mal als Kind, mein Vater hatte da Verwandtschaft. Ich bin damals fast in den Edersee geplumpst, aber irgendjemand hat mich zum Glück beim Ausrutschen festgehalten, so dass nur die Hose versaut war… Der Verwandte meines Vaters (ich glaube, es war ein Cousin) lebt mittlerweile auch nicht mehr. Das ist ein Thema, das mir immer wieder zusetzt, natürlich besonders, seitdem mein Vater gestorben ist. Meine ganzen Tanten und Onkel sind mittlerweile sehr alt, die Gebrechen nehmen zu und mir wird immer wieder klar, wenn ich sie mal sehe, dass die Welt sich einfach unerbittlich weiterdreht. Als vor ein paar Monaten ein Onkel von mir gestorben ist, hat der katholische Priester allen Ernstes eine Fürbitte vorgelesen, die sinngemäß lautete, dass Gott den, der meinem Onkel als nächstes folgen wird, auch gnädig aufnehmen soll. Und da standen die Geschwister meines Onkels, inklusive meiner Mutter, alle zwischen 75-84 Jahre, einer kränker als der andere und ich wusste nicht, ob ich laut heulen oder lachen sollte, unfassbar. Weiter möchte ich mich jetzt über Kirche und Religion gar nicht mehr auslassen…
Und überhaupt werde ich diese Mail jetzt beenden, bevor ich mich in Sinn oder Unsinn des Lebens verliere. Denn eigentlich habe ich gute Laune, denn ich habe ja jetzt URLAUB! :-)
Liebe Grüße
Lena