all you need is love

Liebe Lena,

habe jetzt auch noch John´s Tod gedacht. Mit den Stones ist es einfacher: Brian starb schon 1969 zuge­dröhnt in einem Pool, war aber nicht weiter tragisch. Der Rest hat irgendwie überlebt, was bei Keith an ein medizinisches Wunder grenzt.

Vielen Dank nochmal für die Bilder! Ich war schon kurz davor, mich eingehender mit der Konvertierung von jpg-alias-Dateien zu beschäftigen (von deren Existenz ich vorher nicht mal etwas ahnte), ein anschei­nend nicht ganz triviales Problem. Bei den von Dir genannten Dateigrößen hatte ich ja eine ansehnliche Fotosammlung erwartet, aber es waren nur zwei :-(. Du bist süß anzuschauen, aber für mich nicht zu erkennen, interessant. Und Du siehst auf beiden Bildern vollkommen verschieden aus. Das Typische muß etwas später gekommen sein. Toll natürlich auch diese fiese zeitgenössische Tapete. Die 70er waren geschmacklich schon ein Ausnahmephänomen.

Du moserst zwar ein bißchen herum an meinen Selfies (zwei habe ich extra für Dich gemacht) oder den falschen Frauen am falschen Ort, aber immerhin hast Du von mir eine recht umfangreiche Auswahl bekommen (die Unguten kannst Du ja löschen), was ich von Dir nicht behaupten kann. Eine – zugegebe­nermaßen wundervolle – S/W-Kunst-Aufnahme (habe schon überlegt, ob ich mir einen Ausschnitt davon gerahmt ins Arbeitszimmer hänge, aber das birgt wohl Konfliktpotential …) und einmal mit Linus auf dem Spielplatz, das war´s eigentlich an aktuelleren Sachen. Da ist also durchaus noch Luft nach oben ;-).

Die Reisen verteilen sich über einen gewissen Zeitraum, aber es stimmt schon, dann bin ich immer ein paar Tage weg. Das ist nicht nur spaßig. Diesen Sommer war ich eine Woche in Rio und Sao Paulo. Ist zwar nett, das mal gesehen zu haben, aber für sieben Tage nach Brasilien jetten ist eigentlich ziemlich krank und ich wollte auch gar nicht, hatte aber nachher quasi keine andere Wahl. Und mit Kollegen unterwegs ist auch kein richtiger Urlaub. Unser unausgeglichenes Geschlechterverhältnis führt zwar erstaunlicherweise nicht zu richtigen Zickenkriegen, ist aber sicher nicht ideal. Der Markt gibt halt nicht viel mehr her :-(. Ein paar mehr männliche Mitarbeiter wären mir durchaus lieb.

Eine entspannte Vorweihnachtszeit ist nicht einfach, aber man kann was dafür tun. Mein Tipp: weniger kaufen. Wir schenken uns zum Beispiel grundsätzlich nichts und überhaupt ist der Kreis der Beschenkten sehr überschaubar. Dann kann man sogar wenige Tage vor Heiligabend gut gelaunt durch die Stadt und über den Weihnachtsmarkt bummeln, ohne noch irgendwas besorgen zu müssen. Die Dienst-Situation wird sich hingegen anscheinend kurzfristig weniger ändern lassen. Sieh es sportlich – Du bist ja noch jung :-) und kannst Dich dann auf eine passendere Konstellation in einigen Jahren freuen … . Ich finde, ambu­lante OPs hört sich gut an, vielleicht in einem MVZ oder einer sonst überschaubaren Institution. Schade nur, daß Hamburg nun platzt – ich hatte schon Zugverbindungen rausgesucht ...

Die langfristigen kognitiv-emotionalen Folgen der Meat-Loaf-Beschallung sind mir natürlich unbekannt und ich habe auch schon überlegt, ob ich mir Sorgen machen muß. Aber wenn ich höre und sehe, was sich Artur an Aktuellem reinzieht, ist das auch nicht viel besser (in seinem Alter habe ich mich glaube ich eher noch mit Märchenplatten etc. beschäftigt …). Ich muß Dir hier unbedingt mal eine kleine Kostprobe geben. Interessant ist eigentlich nicht der Song als solcher, sondern das Video dazu; so durchgeknallt, daß ich Artur die Hälfte der Kosten erlassen habe :-). Ein bißchen Wahnsinn steckt ja in jedem von uns:

www.youtube.com/watch?v=WE5JV6t9i2g

Und bei Meat Loaf geht es immerhin um Existentielles: Hölle, Himmel, Teufel, Liebe, Frauen überhaupt, Schicksal, und natürlich um Fledermäuse und schwere Maschinen. Da profitiert man doch – insbeson­dere als Mädchen. Du magst das Pathetische wahrscheinlich nicht so sehr. Die einzig naheliegende Gafahr: Anna verliebt sich später durch die frühe Prägung in solche Typen oder möchte so aussehen wie die Gespielinnen der Helden, ein tatsächlich schauerhafter Gedanke. Dein Komplett-Ignorantentum for­dert mich aber auch etwas heraus. Hier ein bezauberndes Liebeslied (eher eine Hymne: 9 Minuten!), das Dich sicher umstimmen wird oder Deine gefestigt-ablehnende Haltung zumindest ins Wanken bringt:

www.youtube.com/watch?v=vouvW-ECoYI

Für das definitive Erlebnis brauchst Du abgesehen von etwas Zeit und Ruhe einen dunklen Raum und eine gewisse Lautstärke, dann kommt es am besten rüber. Das Hesse-Projekt kenne ich übrigens noch nicht, aber ich habe Dir – zumindest bisher – auch kein Hesse-Gedicht geschickt. Ich vermute, Du meinst das über´s Küssen, aber das stammt meines Wissens von Heine. Ob Hesse da auch was zu zu sagen hat? Ich recherchiere mal. Bezüglich Balfour werde ich berichten – Du hast sicher recht, die Enttäuschung ist vorprogrammiert …

Ich wollte Dich noch etwas fragen. Du schreibst, daß Linus Dich ausgeglichener macht. Bist Du denn ins­gesamt zufrieden als Mutter oder ist es eher eine Last? Man liest ja jetzt so viel über das Coming-out der Mütter. Das neue Buch von Charlotte Roche. Es gibt Internetseiten wie „Regretting Motherhood“ und solche Sachen. Unglücklich über die Mutterrolle zu sein oder sie gar als Albtraum zu erleben, scheint im Trend zu liegen. Es ist sicher eine Herausforderung, aber natürlich auch Typsache. Meine Schwägerin zum Beispiel – eine emanzipierte, qualifizierte und berufstätige Frau – hat fünf Kinder, aber man hat nie das Gefühl, daß sie groß darunter gelitten hätte. Andere können sich nicht mal ein Kind vorstellen. Wie geht es Dir damit? Bereust Du den Schritt oder hat es auch was Erfüllendes?