Aschenbrödel

Betreff: Re: Aschenbrödel

29.12.; 09:40

Liebe Lena,

ich habe dann also diese Nacht nochmal über Deinen Traum nachgedacht. Schön skurille Szenerie. Ein Profi würde wahrscheinlich gelangweilt abwinken, weil die Botschaft so offensichtlich ist. Da wird Dir Dein Traumdeuter leider auch nicht viel Erhellendes mitteilen können, was Du nicht ohnehin ahnst. Aber selbst bei fehlender tiefenpsychologischer (halte ich eh nicht allzu viel von) Schulung darf ich wohl ohne Überinterpretation schlußfolgern, daß Du (bekanntermaßen) das Gefühl hast, etwas Elementares zu ver­heimlichen und Dir das sowie die ständige Gefahr des Auffliegens Angst macht. Und damit Dir das auch nochmal ganz klar wird, hat Dein Hirn deutliche Bilder gewählt. Eigentlich die krasseste (gibt es diese Steigerung?) Art, die man sich vorstellen kann: totale Konfrontation. Alle direkt oder indirekt Beteiligten sind anwesend, um die Bedrohung intensiv spürbar zu machen. Eine ja denkbar unangenehme Situation, wenn man sowieso schon ein schlechtes Gewissen hat (ich kenne solche Visionen auch, sie sind sogar schon Wirklichkeit geworden). Über die Verkleidung kann ich nur spekulieren: entweder, weil Du die Gesichter eh nicht richtig kennst, oder um es erträglicher zu machen, oder weil das Aussehen eigentlich unwichtig ist. Ich finde es ja immer wieder faszinierend, welche Metaphern unser ZNS in der Lage ist zu erzeugen und es damit manchmal exakt auf den Punkt bringt. Bei mir gibt es da ja nicht viel zu berichten, aber was Frauen manchmal für Träume haben, da kommt der kreativste Surrealist nicht gegen an.

Mir geht es eigentlich nicht so. Obwohl, ein bißchen schlechtes Gewissen habe ich natürlich auch, aber ich glaube, es ist kein so starkes und dominierendes Gefühl wie bei Dir. Das liegt möglicherweise daran, daß wir uns bereits kennen. Unser Kontakt hat deshalb für mich (oder mein Unterbewußtsein) einen anderen Stellenwert (ob berechtigt und ob der andere diese Differenzierung auch so sieht sei mal dahin­gestellt. Und ob die Situation deshalb moralisch anders zu bewerten ist, wage ich auch zu bezweifeln). Wärst Du eine neue Bekanntschaft, wäre ich jedenfalls mehr in Sorge. Aber wann Betrug anfängt und wie man ihn definieren sollte, ist sicher ein weites Feld, über das man trefflich und heftig diskutieren könnte, ich will das hier besser nicht vertiefen ...

… sondern rasch wieder in sicheres Terrain manövrieren. Wie zum Beispiel Märchen, wo ja alles viel kla­rer ist, nur Gut und Böse, lebenslängliche Liebe oder rascher Tod ... In Libuse war ich wie gesagt natürlich wie fast jeder auch verknallt (aber da war sie in meiner Jugend sicher nicht konkurrenzlos). Ob sie mich geschmacksmäßig nachhaltig geprägt hat, weiß ich nicht, aber da würde man ihren Einfluß vielleicht doch überschätzen. Zumindest sehe ich in Bezug auf Dich und andere Freundinnen wenig Übereinstimmendes. Kann natürlich sein, daß ich die Libuse-Frau im wirklichen Leben ganz einfach verpasst habe. Sie ent­spricht wohl einfach dem Archetyp einer schönen Frau, die das männliche Geschlecht angeborenerma­ßen bewundern muß. Aber es gibt glücklicherweise noch andere, ebenso reizvolle und anziehende weib­liche Typen …

Und ich stelle fest: mit der richtigen Frisur kann Dich wahrscheinlich fast jeder um den Finger wickeln, ein Aspekt, den ich bisher zugegebenermaßen unterschätzt habe. Da meine diesbezüglichen Freiheitsgrade bedauerlicherweise begrenzt sind,  sollte ich mir vielleicht mit einer passenden Perücke behelfen, falls wir uns mal treffen :-))).

Einen schönen, erholsamen oder spannenden oder feierlichen Tag wünscht

Dein Johann(der hoffentlich noch einmal das Vergnügen haben darf, als Traumdeuter seine Künste unter Beweis stellen zu dürfen ;-))