Brief an eine außerordentlich Sinnliche

Meine liebe Rosamunde,

es wird nun Zeit, mich auch einmal an Dich zu wenden, wo Du - große Stumme, doch so Empfindsame - niemals im Zentrun meiner schriftlichen Aufmerksamkeit zu stehen schienst. Oft kommst Du zu kurz oder bist nur andeutungsweise und indirekt gemeint, obwohl meine scheinbare Ignoranz kein Ausdruck minderer Wertschätzung ist. Ganz im Gegenteil – gerade aufgrund Deiner Allgegenwärtigkeit meinte ich wohl, Dich nicht extra ansprechen zu brauchen. Das will ich nun – da ich Dich endlich beim Namen nennen darf – nachholen und Dir nicht nur durch physische Begegnung, sondern auch auf diese Weise meine Freude über Dein Dasein kundtun.

Du süße Sinnliche und Erregende, so vertraut und doch so verborgen lebend, hast es verdient, ganz besonders gewürdigt und verehrt zu werden. Federnd aufgehangen an zarten Filamenten und strammen Faszien, umspannt von zirkulären parakolpischen Netzen und elastischen Hüllen, ausgekleidet mit zartem, mitunter spiegelnd-glattem, widerstandsloses Gleiten ermöglichendem Epithel über feinen, hochsensiblen neuronalen Bündeln und axonalen Verästellungen, ruhst Du geschützt und gut gepolstert, drüsig unterstützt, an zentraler Stelle – im Fluchtpunkt jedes begehrlichen Blickes zwischen wohlgeformten Schenkeln am Fuße eines kleinen Hügels tief im Unterleib; ein kontraktiler, beinahe blinder Schlauch, meist spaltig kollabiert; eigentlich ein Nichts, Antimaterie im besten Sinn, ein luftiger Raum, luftleere Phantasie ...

Trotz so vieler Dich umgebender Hohlorgane und Röhrensysteme bist Du mir die Lieblichste, die Angenehmste und Wohligste. Auch wenn jeder Deiner groß- und kleinlumigen Gefährten hin und wieder große Lust und Erleichterung verschaffen kann. Doch deren Ziel und Daseinsgrund ist zuallererst ja die Entleerung. Und diese dient allein der Befriedigung des eigenen Leibs. Dein vornehmstes Anliegen hingegen ist die Aufnahme, die fruchtige Vermehrung und der Lustgewinn in Zweisamkeit; bereit zu komplementärer Vereinigung und sich gegenseitig verstärkendem Sinnesreiz, wodurch Du prinzessinnen(!)gleich Dich über die Möglichkeiten aller Deiner viszeralen Konkurrenten erhebst, auch wenn sie Dir manchmal so unvollkommen nachzuahmen trachten.

Du wirkst vor allem im Verborgenen, im Dunkeln und Geheimnisvollen. Fast unsichtbar, scheinbar unscheinbar; und doch so oft Subjekt größter Begierde, Wollust und Verzückung. Eine permanente Versuchung, eine permanente Sehnsucht. Ort größter Innerlichkeit und sinnlichen Entzückens. Umschließende Erfüllung, Stoßgebet, nie versiegender Wunsch nach völliger Verschmelzung und Einssein; doch auch furchteinflösend in all Deiner Orgasmenfreudigkeit und Unerschöpflichkeit. Manchmal unnahbar, verschlossen und unauffindbar, Widerstand leistend, sich verweigernd und entziehend, schattig verdeckt und schenkelig bedeckt. Dann plötzlich so weich und warm, so einladend offen, sekretig-glitschig, klebrig und duftend; im rechten Augenblick ein zerfließendes, tropfendes, auslaufendes Feuchtgebiet. Bartholinische Sturzbäche, ejakulierende Flutlandschaften. Suchend und findend, aufnehmend und festhaltend, fassend und umfassend. Von peristaltisch-kontraktilen Wellen überrannt. Reibend und hinübergleitend, rhythmisch kreisend, stimulierbar und stimulierend. Verheißungsvoll besambar, Einfahrtstor ins Innere und Passagierweg ans Licht der Welt.

Elysisch, mich so wohlig ruhend oder ungestüm in Dir zu wissen, diese ganze feuchte Glückseligkeit zu spüren. Herrlich penetrierbar, ein- und aussaugbar, digital explorierbar. Reinflutschen und Zustöpseln. Oder nur sanft umkreisend, nur ein bißchen Dich versuchend, sanft liebkosend. Und Du hältst immer, was Du versprichst. Und das ist sehr viel. So rosa, so mundig. Und dann kann ich gar nicht genug von Dir bekommen (ebenso wenig wie von Deiner Besitzerin, nur auf andere Weise …). Du kannst Freude verschaffen, große Lust und ekstatischen Rausch. Einladend und sehr ausladend, ein weites Gewölbe, formlos nachgebend, doch bei Bedarf oszillierend eng und kontraktionswillig. Feucht-lippig und fleischig-faltig-lappend verführst Du mich immer und immer wieder; ich spür Dich bereits, bevor ich Dir nahe bin. Doch bist auch tief und abgründig, endlos dehnbar, sich auflösend im Nichts bei jedem Versuch, Dich ganz zu erfassen. Übeschätzt und unterschätzt, wollüstig und bescheiden. Friedfertig und abwartend lauernd oder wild und leidenschaftlich. Nachgebend, warm-umschlingend und umschließend. Multifunktional, das Äußerste erreichend. Sensorischer Taktgeber, reizaussendend direkt ins zentralnervöse Lustempfinden. Funkende Impulsgeberin und endokrine Steuerzentrale.

Das alles und noch viel mehr kannst Du sein, in Deinem Nichts, Deinem Hohlsein und Innerlichsein. Nicht allein allerdings, sondern sekundiert von namenlosen Unterstützern betreibst Du Dein aufreizendes Spiel. Wen spannst Du nicht alles ein zum Erreichen Deiner Ziele? Ein Überangebot betörender Reize erlaubt kein Entkommen und führt Dir zu, was Du magst. Ein Heer aus busiger Verführung, oraler Vorarbeit, zarter Haut, berauschenden Düften und lieblichen Blicken arbeitet Dir zuverlässig und unermüdlich zu. So stehst Du letztlich wohl im Zentrum eines erotischen Gesamtkunstwerks. Bleib so frisch und rosig und offen für neue Erfahrungen, meine süße, verehrte Rosi.

Dein Stöpsel