24.11.   Re: Licht und Dunkelheit

Ich konnte nicht widerstehen und habe mir das neue Buch von Meyerhoff jetzt geholt. Es ist so gut wie der erste Band („Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“) seiner autobiographischen Geschichten. Ich war sofort begeistert und bin rasch vorangekommen, obwohl es bisher eigentlich wie immer nur um ihn geht und bisher um die Beziehung zu seiner neuen komplexen Freundin mit ihrem sehr anstrengenden, aber auch inspirierenden verrückten Charakter, die er in Bielefeld kennenlernte und die sein Leben nachhaltig verändert. Er kann einfach sehr gut schreiben und hat eine ganz besondere Art, die Welt wahrzunehmen und diese zwischenmenschlichen Dinge zu beschreiben. Wäre sicher auch was für Dich, aber Du bist ja erstmal versorgt … In seiner etwas planlosen Art ist mir der dilettantisch schauspielernde Protagonist nicht unsympathisch. Vor allem teilt er meine ausgeprägte retrograde Amnesie im Gegensatz zu seiner hochintelligenten Hanna mit dem fotographi-schen Gedächtnis: Ich weiß so viel nicht mehr. Ganze Jahre sind verschwunden, zusammengeschnurrt zu atmosphärischen Ahnungen“. :-). Das Krankenbett bietet jetzt natürlich eine willkommene Gelegenheit, hier Fortschritte zu erzielen.

Dummerweise ergeht es mir aber wie so oft: die Lektüre bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte, um an Dich erinnert zu werden. Das fängt schon (wie erwartet) damit an, daß sich die Handlungen nach dem ersten Drittel nach Dortmund verlagert (grompf). Die Eindrücke bei der ersten Begegnung mit der Stadt sind erstmal wenig überraschend: „Ich nahm mir ein Taxi und vorbei ging es an lückenlos scheußlicher Fünfziger- und Sechzigerjahre-Architektur. Gebäude so trostlos, dass sich aller Optimismus vor ihrer grauen Einfallslosigkeit entmutigt abwandte. … All diese perforierten Leben. Kaserniert in Hunderte recht-eckige Behälter, geschmacklose Gehäuse um vor sich hin arbeitende Organe“. Aber dann: „Wir bogen in die Straße ein, die auf meinem Zettel stand: Kreuzstraße [Dir sicher bekannt. Hast Du nicht im Kreuzviertel gewohnt?]. Plötzlich war ich in einer anderen Stadt. Links und rechts herrrschaftliche Altbauten“. Und der Vermieter ist dann natürlich auch so nett, daß er gleich heulen muß …

Eben schrieb er dann in einer kleinen Episode aus seiner Jugend über die Nahsichterfahrung mit den Brüsten einer Studentin, die ihm als Nachhilfelehrerin zur Seite gestellt wurde und ich mußte zur Kenntnis nehmen, wie meine Gedanken sofort abschweiften und mir Dein Busen vor dem inneren Auge erschien (ja, schlimm, sag nichts). Schön hell, fast leuchtend. Wohlgeformt, leicht herabhängend bei etwas vorgebeugtem Oberkörper. Sodaß ich gleich Lust bekam, leicht hineinzubeißen und rumzusaugen :-). Weitere, zum Teil detaillierte Gedanken und Vorstellungen folgten ... Es dauerte länger, bis ich wieder in der Lage war, halbwegs konzentriert mit der Lektüre fortzufahren. Was soll das nun mir sagen und was Dir? Du fehlst mir offensichtlich auch körperlich sehr! (Auch nichts Neues natürlich) Ich bin heilfroh, daß die normale Arbeitslast und andere Zerstreuungen in der Regel bewirken, daß diese aufdringlichen Phantasien im Alltag meist nicht über ein gerade noch erträgliches Maß hinaus Besitz von mir ergreifen – aber beim krankheitsbedingten Müßiggang bin ich dem kortikalen und limbischen Treiben dann umso hilfloser ausgeliefert …

25.11.   Re: Licht und Dunkelheit

Heute hat sich das Erleben aber auch noch mit den inzwischen zweigleisigen amourösen und intellektuellen Abenteuern von Joachim Meyerhoff vermischt, dessen Lebensweg ich weiter folgen durfte. Er hat nun auch in Dortmund ein Objekt für ausschweifende sexuelle Aktivitäten gefunden und somit das für ihn große Glück zweier, sich natürlich komplementär ergänzender Lebensabschnitts-Begleiterinnen in zwei Städten (in Dortmund mehr der animalische, in Bielefeld der geistig-anspruchsvolle Part). Der Autor kann Situationen nicht nur sehr treffend und mit einem schier unbegrenzten Vokabular phantasiereich und assoziativ stark beschreiben, er ist auch selbst voll skurriler, verwurbelter Gedanken, Minderwertigkeitsgefühlen, schlechtem Gewissen und daraus resultierender Verhaltensauffälligkeiten, die zu ständigen Mißgeschic¬ken, Peinlichkeiten und situativem Versagen und Scheitern führen. Vieles davon ist mir graduell auch vertraut und Dir vermutlich noch viel mehr. Ein weiterer Grund, das Werk mal zu lesen, wenn Du aus dem Gröbsten raus bist ;-) und für solche Zeitverschwendung wieder Kapazitäten hast ;-).